Joseph Caspar Witsch: Verleger und Homo politicus

Im Jahr 2007 beauftragte mich der Verlag Kiepenheuer & Witsch, die frühe Verlagsgeschichte und damit auch die Biografie des Verlagsgründers Joseph Caspar Witsch (1906-1967) aufzuarbeiten. Den Anstoß dazu hatten verschiedene Medienberichte gegeben, die Witschs Funktionen im Nationalsozialismus thematisiert und seine Rolle in antikommunistischen Kampforganisationen des Kalten Krieges beleuchtet hatten. Die Anwürfe gipfelten darin, der Verleger und mit ihm seine prominenteste „Entdeckung“, der spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll, seien von der CIA alimentiert worden. Zeit also, Archive zu durchforsten und mit noch verbliebenen Zeitzeugen zu sprechen.

Sieben Jahre nahmen die Recherche- und Schreibarbeiten in Anspruch, unterbrochen vom Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 3. März 2009, in dem sich das Verlagsarchiv befand. Die Bestände von mehr als zwei Dutzend Archiven wurden im Laufe der Recherche durchgesehen, darunter diejenigen der Special Collection der Joseph Regenstein Library in Chicago, die den Bestand des „Congress for Cultural Freedom“ verwahrt; außerdem der Nachlass von Manès Sperber im Österreichischen Literaturarchiv in Wien. Sperber war ein Freund Witschs, sein Autor und antikommunistischer Mitstreiter.

Als am Ende der Arbeiten nicht das vom Verleger erwartete schmale Bändchen herauskam, sondern ein „Schinken“ von 1.400 Seiten Umfang, entschloss sich der Verlag, die Geschichte Joseph Caspar Witschs auf zwei Bände zu verteilen. Der erste erschien 2014, der zweite im Jahr darauf.

Cover "Das Buch Witsch"  Cover "Dem Glücksrad in die Speichen greifen"

Das Buch Witsch. Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch, Köln 2014, 784 S. mit 185 Abb., ISBN: 978-3-462-04130-9 (auch als E-Book)
Dem Glücksrad in die Speichen greifen. Joseph Caspar Witsch, seine Autoren, sein Verlagsprogramm und der Literaturbetrieb der frühen Bundesrepublik, Köln 2015, 605 S. mit 137 Abb., ISBN: 978-3-462-04739-4 (auch als E-Book)

 

Rezensionen

Beide Bände stießen in den Feuilletons und Online-Medien auf Interesse; je zwei Beispiele mögen stellvertretend dafür stehen. Am aussagekräftigsten erschienen mir die Besprechungen des „Buches Witsch“ von Lothar Müller in der „Süddeutschen Zeitung“ und von David Oels (Institut für Buchwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz) für H-Soz-Kult; außerdem die Rezensionen des „Glücksrads“ von Vera Lejsek in ihrem Blog „Glasperlenspiel 13und von Jens Flemming in der Zeitschrift „Literaturkritik.de.

 

Rundfunkfeature

Ich selbst habe zum Thema „Witsch“ ein 50-minütiges Feature für den Deutschlandfunk verfasst: „’Der Westen ist stärker!’ Joseph Caspar Witsch – Verleger und Netzwerker des Kalten Krieges“. Ein knapper Ankündigungstext findet sich hier. Die Sendung selbst können Sie hier hören.

 

Fachbeiträge

Außerdem entstanden aus dem Kontext „Witsch“ neben zahlreichen Vorträgen einige Beiträge für Fachpublikationen. Beispielhaft sollen die vier folgenden stehen:

Joseph Caspar Witsch – Als Bibliothekar und Verleger zwischen Jena und Köln, in: Die große Stadt. Das kulturhistorische Archiv von Weimar-Jena 2/2 (2009), S. 117-142.

Joseph Caspar Witsch (1906-1967). Bibliothekar, Verleger, Kulturkämpfer an Saale und Rhein, in: Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik 2/2014, Heft 71, S. 24-28.

Joseph Caspar Witsch. Verleger und Netzwerker im Dienst des Antikommunismus, in: Stefan Creuzberger / Dierk Hoffmann (Hrsg.), „Geistige Gefahr“ und „Immunisierung der Gesellschaft“. Antikommunismus und politische Kultur in der frühen Bundesrepublik, München 2014, S. 297-319.

Die Bücher der frühen Jahre [aus Anlass des 90. Geburtstags von Dieter Wellershoff], in: Kölner StadtRevue 11/2015, S. 24-25.

 

Ausstellungskonzept

Zusammen mit Joachim Weiner (Gesellschaft für interdisziplinäre Praxis e. V.) entwickelte ich im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung NRW ein Drehbuch für die Wanderausstellung: „Kalter Krieg am Rhein. Joseph Caspar Witsch – Verleger, Netzwerker, Antikommunist“. Die Umsetzung des Ausstellungsvorhabens wäre mit Kosten in Höhe von 150.000.- € verbunden gewesen. Da es uns lediglich gelang, die Hälfte des Betrages zu akquirieren, legten wir das Vorhaben ad acta. Das seinerzeit erarbeitete Drehbuch umfasst 140 Seiten. Inhaltsübersicht und Vorbemerkung finden Sie hier.