Deutsch-deutsche Geschichte

Rund 40 Jahre lang wurde Deutschland von einer knapp 1.400 Kilometer langen Grenzlinie durchschnitten. Die Spaltung in DDR und BRD brachte eine spezifische Geschichtsschreibung hervor und hinterließ nach der Wiedervereinigung eine gleichermaßen bemerkenswerte wie bedrohte Erinnerungslandschaft. Beides interessierte mich.

Für die Reihe „Essay und Diskurs“ des Deutschlandfunks führte ich Gespräche mit sechs namhaften Historikern: Norbert Frei (Jena), Anselm Doering-Manteuffel (Tübingen), Edgar Wolfrum (Heidelberg), Ralph Jessen (Köln), Hans Günter Hockerts (München) und Andreas Wirsching (München). Die Gespräche dienten dem Zweck, aus unterschiedlichen Blickwinkeln Standortbestimmungen zur Geschichtsschreibung über das geteilte Deutschland vorzunehmen und dabei Themen zu diskutieren, die durch eine gesamtdeutsche Betrachtung präzisere Konturen gewinnen können.

Titelbild "Abgrenzung und Verflechtung"

Frank Möller / Ulrich Mählert (Hrsg.): Abgrenzung und Verflechtung. Das geteilte Deutschland in der zeithistorischen Debatte, Berlin 2008, 208 S., ISBN: 978-3-940938-03-9.

Angereichert um ein weiteres Gespräch mit Bernd Faulenbach (Dortmund) und für die Drucklegung überarbeitet, erschienen die Gespräche unter dem Titel „Abgrenzung und Verflechtung. Das geteilte Deutschland in der zeithistorischen Debatte“ 2008 im Berliner Metropol Verlag. Ein zweiter Teil des Bandes bildet eine Debatte ab, die im Jahr 2003 mit einer Fundamentalkritik Jürgen Kockas an der bundesrepublikanischen DDR-Geschichtsschreibung seit 1990 eingeleitet wurde. Inhaltsverzeichnis und Vorwort der Publikation sowie das erste Gespräch mit Norbert Frei finden Sie hier. Eine Besprechung des Buches durch Dorothee Wierling (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg) brachte H-Soz-Kult.

Foto: Beobachtungsbunker im Grenzlandmuseum Eichsfeld
Beobachtungsbunker im Grenzlandmuseum Eichsfeld bei Teistungen

Ebenfalls 2008 unternahm ich im Auftrag des Deutschlandfunks eine Reise entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze und fuhr dabei rund 800 Km mit dem Rad ab – von Goslar bis nach Hof. Dabei besuchte ich Museen, sprach mit Zeitzeugen und sichtete die verbliebenen Spuren der Grenzanlagen. Mich interessierte unter anderem, wann erste erinnerungspolitische Inszenierungen entlang der Grenze entstanden und wie sie über die Jahre verändert wurden oder verschwanden. Das Feature „Grenzerfahrungen. Reise durch eine deutsch-deutsche Erinnerungslandschaft“ spiegelt meine Erfahrungen wider  und wurde am 3. Oktober 2008 von 20.10-21.00 Uhr im Deutschlandfunk übertragen.

Auch nach der Ausstrahlung beschäftigte mich das Thema. Ich hielt Vorträge vor Zeithistorikern und Kulturlandschaftsforschern, Heimatpflegern und Denkmalschützern sowie Angehörigen der Bundeswehr. Weil Bedarf danach zu bestehen schien, bearbeitet ich das Thema weiter. 2011 entstand die von mir verfasste und vom Arbeitskreis für historische Kulturlandschaftsforschung in Mitteleuropa e. V. (ARKUM, Bonn) herausgegebene Broschüre „Geschichte und Gedächtnis. Zur Sicherung und Bewahrung der Erinnerungskultur entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze“. Die gedruckten Exemplare sind inzwischen vergriffen. Sie können die Publikation aber hier herunterladen.

Foto: Grenzbeobachtungsturm am Todesstreifen bei Sorge
Grenzbeobachtungsturm und Grenzzaun am Todesstreifen bei Sorge

2012 lud mich die Deutsche Bundesstiftung Umwelt anlässlich eines Symposiums zum Thema „Denkmalpflege und Naturschutz“ in Benediktbeuern dazu ein, meine Eindrücke von der Musealisierung der ehemaligen innerdeutschen Grenze zusammenzufassen und zuzuspitzen. In dem Vortrag erweiterte ich den Blickwinkel auf den „Westwall“ und formulierte sechs Thesen zum „falschen Umgang mit Flächendenkmalen der Zeitgeschichte“. Sie finden den Vortrag, dessen Thesen nach wie vor aktuell sind, auf den Seiten 35-43 der Tagungsdokumentation.

Ein bis dahin kaum bekanntes Moment der DDR-Geschichte beschäftigte mich außerdem. Reisen zu unternehmen, war ein heikles Thema in der DDR; der Westen war tabu, der Osten mit Beschränkungen verbunden. Weil das Verbotene aber immer lockt, unternahmen unangepasste junge Leute mit Hilfe eines eigentlich nur für zwei Tage gültigen Transitvisums immer wieder ausgedehnte Reisen in wenig erschlossene Regionen des Kaukasus, nach Sibirien, an den Baikalsee nach Kamtschatka und bis nach China. Ich hatte Kontakt zu diesen „Transitniks“ bekommen und habe über die Hintergründe ihrer Reisen ein Feature für den Deutschlandfunk verfasst: „Transitnik – Unerkannt durch Freundesland. Illegale Reisen durch die Weiten der Sowjetunion“. Die Sendung wurde am 29. Juli 2011 von 20.10-21.00 Uhr übertragen. Zwei lesenswerten Anthologien mit eigenen Berichten der „Transitniks“ sind im Notschriften Verlag und im Lukas Verlag erschienen.

Einer derjenigen, der in der DDR als „Transitnik“ unterwegs war und seit der Wende Langzeitreisen nach Kamtschatka und auf die Bering-Insel unternimmt, ist Ullrich Wannhoff – Maler, Fotograf und Forschungsreisender. Eine seiner Reisen führte ihn per Kajak 400 Km über den Fluss Kamtschatka bis hinauf zum Nordpazifik. Er hat ein lesenswertes Buch darüber geschrieben, das von mir rezensiert wurde.