Hürtgenwald

Der in der Nordeifel gelegene Hürtgenwald war gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Schauplatz schwerer Kämpfe. Nach dem Krieg errichtete Kriegsgräberstätten, Gedenksteine, Kreuze, Tafeln und künstlerische Objekte bilden dort heute eine in der Bundesrepublik einzigartige Erinnerungslandschaft. Seit vielen Jahren steht diese jedoch auch in der Kritik. Verengung auf das militärische Geschehen, Ausblendung wesentlicher Aspekte der nationalsozialistischen Herrschaft, die Dominanz eines Veteranenverbandes bei Gedenkpraktiken sowie die geschichtsrevisionistische Politik mancher Heimat- und Geschichtsvereine lauten einige Kritikpunkte.

Bevor ich auf die Gegentendenzen seit Beginn der 2000er-Jahre eingehe, möchte ich drei aktuelle Hinweise geben.

Hinweis 1: Im Juli 2022 begann die Universität Osnabrück mit der Veröffentlichung einer Buchreihe, die das Thema ‚Konfliktlandschaften‘ behandelt. Dabei geht es zum einen um historische Kriegskonflikte und zum anderen um die Konflikte, die in der späteren Bearbeitung der Kriegsthemen entstanden sind. Im Rahmen dieser Reihe erschien von mir 2022 ein Buch über die geschichtsrevisionistische Militaria-Literatur, die bis in die 2000er-Jahre das Geschichtsverständnis der Region geprägt hat und in der grenzüberschreitenden ‚Blase‘ der Militariafans heute noch beliebt ist. Zur Ansicht das Inhaltsverzeichnis. Das Buch hat 228 Seiten, ist bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen und kann für 25.- € in jeder Buchhandlung bestellt werden. Titel: „Einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen…? Militaria-Literatur über den Zweiten Weltkrieg am Beispiel des Kriegsschauplatzes Nordeifel/’Hürtgenwald’“.

Hinweis 2: Im Jahr 2017 habe ich den ‚Hürtgenwald Newsletter‘ entwickelt. Mir schien das wichtig zu sein, weil die regionale Presse lange Zeit unkritisch mit der Militaria-Szene umging und teilweise heute noch umgeht. Kritische Ereignisse und Aspekte werden häufig ausgeblendet. Der Newsletter erscheint inzwischen vier bis fünf Mal im Jahr. Sie können alle Exemplare am Ende dieser Seite nachlesen.

Hinweis 3: Ich arbeite seit längerer Zeit mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) zusammen. Der LVR betreibt u. a. ein Informationssystem über die historische Kulturlandschaft: ‚Kultur. Landschaft. Digital‘ (KuLaDig). Wir haben diese Möglichkeit genutzt, auf die ‚Erinnerungslandschaft Hürtgenwald, Nordeifel und Ardennen‘ und zahlreiche ihrer Objekte – Gedenksteine, Kriegsgräberstätten, NS-Orte etc. – einzugehen. Den Einführungsartikel finden Sie hier. Daneben können Sie die weiteren untergeordneten Objekte anklicken.

Und nun zur historischen Entwicklung der Erinnerungskultur in der Nordeifel, sofern ich sie selbst miterleben und mitgestalten konnte.

Wie alles begann –
die Arbeit der Konejung-Stiftung: Kultur

Einer der Hauptakteure der ersten Jahre war die Konejung-Stiftung: Kultur. Achim Konejung und seine Mitstreiter hatten im Jahr 2004 unter dem Titel ‚Hürtgen ’44 – Fahrt in die Vergangenheit‘ damit begonnen, Busfahrten durch den Hürtgenwald zu unternehmen, die als ‚Rollende Hörspiele‘ organisiert wurden, mit zahlreichen O-Tönen von Churchill über Goebbels bis Marlene Dietrich und Zarah Leander. Verbunden wurden die Fahrten mit Wanderungen, in deren Verlauf Schauspieler Texte von Ernest Hemingway, Kurt Vonnegut, Heinrich Böll und anderen vortrugen. Die Fahrten waren der erste gelungene Versuch, die Kriegsgeschichte der Nordeifel aus dem bis dahin in der Region aus Wehrmachtfaszination und eigener Opfererzählung gespeisten Narrativ zu lösen und um wichtige Facetten zu erweitern, zum Beispiel um das Thema der Zwangsarbeit.

Foto: Besucher vor großer Fototafel
Eines von dreizehn „Fenstern zur Vergangenheit“

Mit ‚Fenstern zur Vergangenheit‘, großformatigen Plakatwänden mit historischen Fotografien aus der Kriegszeit, ermöglichte es die Stiftung darüber hinaus, an den Orten des früheren Kriegsgeschehens den Blick zurück zu schärfen. Und im Kalltal, einem markanten Ort des Krieges, ließ sie 2005 die abstrakte Skulptur „A Time for Healing“ des Bildhauers Michael Pohlmann aufstellen. Die Skulptur erinnert an ein lokales Ereignis der Kriegsjahre.

Die Skulptur „A Time for Healing“ erinnert an einen kurzzeitigen Waffenstillstand zwischen Wehrmacht und US-Army zur Bergung von Toten und Verwundeten im Kalltal

2005 begannen auch die Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm über die Kriegshandlungen im Hürtgenwald und ihre Folgen: „You enter Germany“. Thematisch behandelt die Dokumentation den Zeitraum 1936 bis 1947, also vom Beginn des ‚Westwall‘-Baus über den Aufmarsch 1940 (Westfeldzug), über die Kämpfe im Herbst 1944 bis zum großen Brand 1947 und der Zeit des Wiederaufbaus. 2007 war der Film fertig. 2010 folgte „Your enter Germany 2“ mit bis dahin unveröffentlichtem Archivmaterial.

Zwischen den beiden Filmen realisierte die Stiftung sechs „Historisch-literarische Wanderwege“ im Hürtgenwald, die die Ereignisse der Jahre 1938-1947 thematisch aufbereiteten. Eigens dafür entwickelte die Stiftung einen Multimedia-Historyguide mit über siebenstündigem Ton-, Bild- und Filmmaterial. 2011 kam eine siebte Themenschleife hinzu.

Inzwischen wäre es sinnvoll, die Rundwanderwege zu überarbeiten, weil sich landschaftliche Veränderungen ergeben haben, neue Objekte hinzugekommen, alte verschwunden sind und sich das historische Wissen erweitert hat. Verantwortlich dafür wären die Gemeinde Hürtgenwald und die – leider – seit ihrer Gründung historisch wenig kompetente Organisation ‚Rureifel-Tourismus e. V.‘.

Von der „Westwall“-Tagung (2007)
zur Begutachtung des „Hürtgenwald-Museums“ (2010)

Achim Konejungs Aktivitäten hatten auch mir einen Zugang zum Thema ‚Hürtgenwald‘ eröffnet. Ich begann mich für den rund 140 qkm großen Flecken in der Nordeifel zu interessieren, als ich 2004 für ein Feature über den Westwall recherchierte. Damals war ich auch auf das „Museum Hürtgenwald 1944 und im Frieden“ in Vossenack (Nordeifel) gestoßen, eine jener waffen- und militariastarrenden Einrichtungen, die zu Recht in die Kritik geraten war. Die dann folgenden Stationen – die Bonner Westwall-Tagung 2007 etc. – lassen sich unter dem Stichwort ‚Westwall‘ im Schwerpunkt ‚Erinnerungspolitische Konflikte‘ auf meiner Website nachlesen.

Foto: Waffensammlung im "Museum Hürtgenwald"
Waffensammlung im „Museum Hürtgenwald 1944 und im Frieden“

Während der Bonner ‚Westwall‘-Tagung war von den Militariasammlern gegenüber Wissenschaft und politischer Bildung der Vorwurf erhoben worden, man kritisiere die ‚Museums‘betreiber bloß, mache aber keine konkreten Vorschläge zur Verbesserung der Einrichtungen; man selbst sei zu Kooperationen mit den Kritikern bereit. 2009 fand das Experiment eines solchen Kooperationsversuchs im Hürtgenwald statt. Die RWTH Aachen, die Uni Köln und das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln führten eine Bestandsaufnahme des ‚Museum Hürtgenwald 1944 und im Frieden‘ in Vossenack durch. Geleitet wurden die Arbeiten von Karola Fings und Peter M. Quadflieg. Zustande gekommen war die Kooperation mit dem Betreiber des ‚Museums‘ – dem Geschichtsverein Hürtgenwald e. V. – nach einem gemeinsamen Gespräch mit Bürgermeister, Vertretern der Bodendenkmalpflege des LVR, der Konejung-Stiftung: Kultur, der RWTH Aachen und der Uni Köln im Mai 2009.

Die Aachener Nachrichten berichteten über die Begutachtung. Die Artikel wurden bereits damals von skeptischen Kommentaren zur tatsächlichen Reformfähigkeit des ‚Museums‘ begleitet. Und die Konejung-Stiftung: Kultur hatte die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Hürtgenwald wegen fortgesetzter Fehlinformationen zu den Kriegsumständen durch die ‚Museums‘betreiber und der Tolerierung dieser Falschinformationen durch die Gemeinde zwischenzeitlich ganz eingestellt.

Ein Jahr nach dem Gespräch, im Juni 2010, legten Karola Fings und Peter M. Quadflieg ihre Bestandsaufnahme des ‚Museums‘ vor. Die Betreiber nahmen sie zur Kenntnis, nahmen in der Folge einige kleinere kosmetische Korrekturen in ihrer Einrichtung vor, stellten sich aber nicht den grundsätzlichen Kritikpunkten: dem Fehlen einer Leitidee, der Dominanz von Militärdevotionalien, der konzeptlosen Inszenierung von Nachbauten, der Verherrlichung der 116. Panzerdivision etc. Man machte so weiter wie bisher. Die CDU-Mehrheit im Gemeinderat garantierte auch ohne die Umsetzung der Reformen den jährlichen Zuschuss für das ‚Museum‘.
Den Kontakt zu dem Wissenschaftsteam ließen der damalige Gemeindebürgermeister Axel Buch und der Geschichtsverein einschlafen, statt die Historikerinnen und Historiker zur Konkretisierung notwendiger Umbaumaßnahmen einzubinden. Eine typische Verhaltensweise. Drei weitere Jahre verstrichen ungenutzt.

Vom „Heldengedenken mit Erbsensuppe“ (2013)
zur Hürtgenwald-Tagung (2014)

Dafür, dass schließlich wieder Bewegung in die Szenerie kam, bin ich mitverantwortlich. Mich interessierte, welche Schlüsse alle Beteiligten aus der Begutachtung des ‚Museums‘ gezogen hatten, wie sie sich das weitere Vorgehen dachten und wie man mit den heftig umstrittenen Erinnerungsinszenierungen des Fördervereins der 116. Panzerdivision am Rande Vossenacks umzugehen gedachte. Für den Deutschlandfunk produzierte ich ein 50-minütiges Feature: „Heldengedenken mit Erbsensuppe. Der Hürtgenwald als Schlachtfeld der Erinnerung.“ Es wurde nicht zufällig am 11. Oktober 2013 gesendet, zwei Tage vor dem Wehrmachtgedenken des lokalen Fördervereins der 116. Panzerdivision.

Der Beitrag eröffnete die Möglichkeit für neue Gespräche über den Umgang mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Daraus entstand die Idee zur Durchführung einer Tagung, auf der die „Perspektiven der Erinnerung“ breit diskutiert werden sollten. Sie fand am 13. September 2014 in Vossenack im Franziskus-Gymnasium statt. Die Veranstalter kannten sich bereits von der Bonner ‚Westwall‘-Tagung des Jahres 2007. Es waren die RWTH Aachen, der in Bonn ansässige Verein ARKUM, das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, der LVR, die Gesellschaft für interdisziplinäre Praxis (GIP) und – neu hinzugestoßen – der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie die Gemeinde Hürtgenwald. Ich leitete die Veranstaltung für die GIP.

Am Ende der Tagung stand ein Vorschlag von Karola Fings: Lasst uns ein zweijähriges Moratorium ausrufen, in dessen Laufzeit die Erinnerungslandschaft Hürtgenwald genauer untersucht und mit allen zivilgesellschaftlichen Akteuren über deren Weiterentwicklung gesprochen wird. Mit diesem Konsens ging die Beschäftigung mit der Kriegslandschaft Hürtgenwald in die nächste Runde.

Kurz nach der Tagung, im Oktober 2014, führte der Journalist Wolfgang Hippe für die Kölner Programmzeitschrift Choices ein längeres Interview mit mir, in dessen Mittelpunkt der negative Einfluss der Trias von Wehrmachtsveteranen, Kirche und der damaligen Politik auf die Erinnerungskultur im Hürtgenwald stand. Titel des Gesprächs: „Sicher nicht die Heimat verteidigt“. Die Thesen des damaligen Gesprächs sind heute noch aktuell.

Sechs Infotafeln (2015) und zwei Publikationen (2016)

Im Nachgang der Tagung geschah recht viel. Auf der Kriegsgräberstätte Vossenack wurden sechs Informationstafeln aufgestellt, deren Vorlagen ein Geschichtskurs des benachbarten Franziskus-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Eva Müller-Hallmanns aus Vossenack geliefert hatte. Karola Fings, Peter Bülter (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge NRW) und mir war deren wissenschaftliche Überarbeitung übertragen worden. Die Tafeln liefern Informationen zur Entstehung der Kriegsgräberstätte, zu architektonischen Besonderheiten und zu einzelnen dort Bestatteten. Sie wurden am 10. Juni 2015 im Beisein des Landrats Wolfgang Spelthahn der Öffentlichkeit übergeben.

Foto: Übergabe von sechs Stelltafeln
10. Juni 2015: Übergabe von sechs Stelltafeln auf der Kriegsgräberstätte Vossenack an die Öffentlichkeit

Auf einer der Tafeln befinden sich auch Informationen zu Generalfeldmarschall Walter Model, der als „Oberbefehlshaber West“ kurzzeitig an der Westfront im Einsatz war. Model war ein loyaler Anhänger Hitlers, glühender Antisemit und bei seinen Einsätzen in der Sowjetunion für die Taktik der ‚verbrannten Erde‘ mitverantwortlich. Im April 1945 erschoss er sich im Ruhrkessel bei Duisburg, um seiner Verurteilung als Kriegsverbrecher zu entgehen. Bis heute wird kolportiert, dass seine Gebeine 1955 auf Wunsch der Familie exhumiert und in Vossenack beigesetzt worden seien. Vieles spricht allerdings dagegen. Ich habe mich im Jahrbuch 2021 des Kreises Düren mit dem Model-Mythos kritisch auseinandergesetzt: „Models Knochen – Models Grab? Eine Recherche, die vermeintliche Gewissheiten in Frage stellt“. Fest steht, dass mit der vermeintlichen Umbettung Walter Models der Friedhof zu einer Pilgerstätte für Rechtsextremisten und Wehrmachtverehrer aller Schattierungen wurde.

Seit ihrer Aufstellung erregt die „Model-Tafel“ in diesen Kreisen Anstoß. 2015 platzierten Unbekannte eine Zaunlatte unter ihr: „Unserem Helden“ war darauf zu lesen, versehen mit einem Hakenkreuz. 2016 wurde die Tafel gleich ganz gestohlen, 2017 ein Teil der Folie mit dem Model-Text abgerissen und 2021 wurden in einige der Tafeln Hakenkreuze und SS-Runen geritzt. Die rustikale Schnitzarbeit mit Hakenkreuz wurde kurz nach ihrer Aufstellung durch den Friedhofswärter entfernt, die Tafel durch den Kreis Düren immer wieder erneuert. Im Jahr 2021 habe ich eine Zusammenstellung der rechtsradikalen Aktionen in der Nordeifel aufgelistet; sie beginnt im Jahr 2004 mit einem Eintrag in das Gästebuch des Vossenacker Militaria-Museums.

Foto: Holzlatte mit Hakenkreuz unter Stelltafel   Foto: Holzlatte mit Hakenkreuz und Schrift "Unserem Helden"
  2015: Zaunlatte mit Hakenkreuz

Foto: fehlende Tafel
2016: Diebstahl der sechsten Tafel
Foto: Zerstörte Folie
2017: Zerstörung der Folie

Zu Beginn des Jahres 2016 brachte ich mit Unterstützung von ARKUM die Broschüre „Erinnerungslandschaft Hürtgenwald. Kontroverse Kriegs- und Nachkriegsdeutungen 70 Jahre nach Ende der Kriegshandlungen in der Eifel“ heraus. Sie sollte das Interesse am Thema wachhalten, Basisinformationen für den weiteren Entwicklungsprozess liefern und das Problembewusstsein schärfen helfen. Die 1.500 gedruckten Exemplare waren schnell vergriffen. Digital findet sich die Broschüre aber nach wie vor im Netz.

Ende 2016 erschien die von Karola Fings und mir herausgegebene Publikation „Hürtgenwald – Perspektiven der Erinnerung“ als dritter Band der „Veröffentlichungen des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln“. Er dokumentiert nicht nur die auf der Tagung gehaltenen Vorträge in bearbeiteter Form, sondern enthält auch ergänzende Beiträge, die das Potenzial der Erinnerungslandschaft des Hürtgenwaldes weiter ausloten; darunter auch ein Beitrag, der sich der Entstehungsgeschichte der sechs Tafeln mit der entsprechenden Vorgeschichte widmet. Eine Inhaltsübersicht finden Sie hier. Von der Pressevorstellung des Buches gibt es einen kurzen Filmbeitrag mit Interviews der Herausgeberin und des Herausgebers sowie des Bürgermeisters der Gemeinde Hürtgenwald.

Titelbild: Broschüre "Erinnerungslandschaft Hürtgenwald"   Titelbild Buch "Hürtgenwald - Perspektiven der Erinnerung"

Frank Möller, Erinnerungslandschaft Hürtgenwald. Kontroverse Kriegs- und Nachkriegsdeutungen 70 Jahre nach Ende der Kriegshandlungen in der Eifel, Bonn 2016, 80 S., zahlr. Abb.
Karola Fings / Frank Möller (Hrsg.), Hürtgenwald – Perspektiven der Erinnerung (= Veröffentlichungen des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Bd. 3), Berlin 2016, 240 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-86331-317-3.

Das Moratorium Hürtgenwald (2015/17)
und die „Hürtgenwald Papers

Nach der Tagung des Jahres 2014 startete im September 2015 das damals beschlossene ‚Moratorium Hürtgenwald‘. Es hatte eine Laufzeit von 1 ½ Jahren, wurde von mir koordiniert und war ein Pilotprojekt, das in dieser Form erstmalig in der Bundesrepublik durchgeführt wurde. Insofern sind die folgenden Anmerkungen und Hinweise auch mehr als eine bloße Dokumentation des gesamten Vorgangs. Denjenigen, die es in anderen Regionen mit ähnlichen Formen von Erinnerungskonflikten zu tun haben oder absehbar zu tun bekommen, können die im Laufe des Moratoriums-Prozesses gesammelten Erfahrungen und Einsichten vielleicht eine Hilfe sein.

Die Erinnerungslandschaft Hürtgenwald weist eine Konzentration kriegsbezogener Zeugnisse auf, die in dieser Dichte selten, wenn nicht einmalig in der Bundesrepublik ist. Den Ausgangspunkt des Moratoriums bildete daher die Frage, wie eine solche Erinnerungslandschaft weiter geformt werden kann, die sich über Jahrzehnte entwickelt und in Teilen auch fehlentwickelt hatte. Das Moratorium fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem sich eine wichtige Etappe im Wechsel von der Erfahrungsgeneration des Zweiten Weltkriegs zur inzwischen dritten Generation (die Enkel der Kriegsteilnehmenden) – vollzogen hatte. Das führte notwendigerweise zu einem Abgleich der Auffassungen, Deutungen und Sinnstiftungen der Kriegsvergangenheit. Und eben darüber sollte ein Austausch mit und zwischen allen Akteuren und Akteurinnen der regionalen Geschichtsarbeit und allen sonst wie Interessierten angestoßen werden. Dabei wurde auch externer Sachverstand mit herangezogen: Im Rahmen des Moratoriums wurden eine ganze Reihe von Vorträgen gehalten und dokumentiert, die auch gut besucht waren.

Praktisch bestand die Arbeit des Moratoriums für mich zunächst darin, einen Überblick über Gedenk- und Erinnerungsobjekte sowie Veranstaltungsformen und Veranstalter in der Hürtgenwald-Region zu gewinnen. Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme ließ sich erörtern, welche Sinnstiftung damit in der Region betrieben wird bzw. welche Botschaften transportiert werden. Dabei ging es auch darum, Defizite in der bisherigen Geschichtsarbeit aufzuspüren: Welche Themen und Fragestellungen, die heute zum wissenschaftlichen Standardrepertoire bei der Beschäftigung mit zeitgeschichtlichen Themen zählen, waren in der Hürtgenwald-Region bis dahin unterrepräsentiert und sollten angegangen werden?

Nähere Angaben zum Moratoriums-Prozess finden sich in konzentrierter Form in einem Beitrag von Stephan Johnen für die Aachener Zeitung vom 19. Februar 2016, der auf einem Hintergrundgespräch mit mir beruht.

Am 8. Juni 2017 überreichte Karola Fings (damals noch stellvertretende Direktorin des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln) – stellvertretend für den Lenkungskreis des Moratoriums – dem Landrat des Kreises Düren, Wolfgang Spelthahn, und dem damaligen Bürgermeister der Gemeinde Hürtgenwald, Axel Buch, eine gut 300 Seiten umfassende Dokumentation des Moratoriums-Prozesses mit einer Auflistung abschließender Empfehlungen.

Als Koordinator des Moratoriums ergänzte ich die Empfehlungen durch ein eigenes Statement. Darin werden einige der Gruppierungen namentlich aufgeführt, die das Kriegsgeschehen im Untersuchungsraum trivialisieren und die Wehrmacht romantisieren. Außerdem war es mir ein Anliegen, deutlich zu machen, welche der aktuell noch tätigen politischen Akteure die Hauptverantwortung für die problematische Geschichtspolitik der zurückliegenden Jahrzehnte tragen.

Weil es mir auch wichtig war, den gesamten Prozess des Moratoriums transparent zu gestalten, dokumentierte ich ihn von Beginn an. Am Ende führte ich alle wesentlichen Papiere, die im Laufe der 1 ½ Jahre entstanden waren, systematisch zusammen und habe sie als „Hürtgenwald Papers“ zugänglich gemacht. Die „Hürtgenwald Papers“ entsprechen den gebundenen Dokumenten, die den Repräsentanten der beiden Auftraggeber – dem Kreis Düren und der Gemeinde Hürtgenwald – am 8. Juni 2017 überreicht wurden.

Wie erschließt man sich dieses Konvolut?

Am einfachsten dadurch, dass man zunächst den Abschlussbericht des Moratoriums liest. In diesem Bericht wird auf die zur thematischen Vertiefung gedachten Dokumente verwiesen. Die können dann – bei entsprechendem Interesse – ebenfalls aufgesucht werden. Die wichtigsten Dokumente sind im Abschlussbericht gelb markiert.

Von der nicht nur harmonisch verlaufenen Übergabe der abschließenden Handlungsempfehlungen an die Auftraggeber liegt ein Bericht von Carsten Rose aus der Aachener Zeitung vom 8. Juni 2017 vor: „Moratorium Hürtgenwald: Ein Wandel ist wohl erst 2019 zu erkennen“. Am 13.6.2017 übertrug der Deutschlandfunk außerdem eine knapp 20-minütige Sendung von Jürgen Salm – „Geschichte des Hürtgenwaldes. Umstrittenes Gedenken an die Eifel-Schlacht“ –, die als Beschreibung der regionalen Szenerie und vorläufiges Resümee des Erinnerungskonflikts hörenswert ist.

Verdienstvolle Initiativen und Akteure in der Eifel während des letzten Jahrzehnts

Die Entwicklung nach dem Moratorium verlief zunächst enttäuschend, weil sich Politik und Verwaltungen kaum an den Empfehlungen, die entstanden waren, orientierten. Damals hatte ich dazu geschrieben: „Siegt die (CDU-)Parteipolitik über die Sachfragen, wie das in den zurückliegenden Jahrzehnten auf den erinnerungspolitischen Konfliktfeldern des ‚Hürtgenwaldes‘ fast immer der Fall gewesen ist, dann wird sich nichts bessern. Dann bleibt die Region erinnerungspolitisch auf dem Stand der 1980er-Jahre, als man hierzulande von Wehrmachtsverbrechen noch nichts hören mochte, und als vielen Bürgerinnen und Bürgern die Deutschen noch als die eigentlichen Opfer des Zweiten Weltkriegs galten. Tendenzen, dieses Opfernarrativ im Hürtgenwald weiter fortzuschreiben, sind nach wie vor präsent.“

Foto: Ordner auf NPD-Demonstration mit "Windhund"-Shirt
Ordner mit „Windhund“-Shirt (116. Panzerdivision der Wehrmacht) bei einem NPD-Aufmarsch in Düren-Merken 2009

Dass sich die Erinnerungslandschaft dennoch Schritt für Schritt veränderte und an bundesweiten Standards orientierte, ging zunächst weniger auf Politik und Verwaltungen zurück, als vielmehr auf einzelne engagierte Akteure der Region. Achim Konejung hatte bereits früh einen notwendigen Anstoß gegeben und mit seinen vielfältigen Projekten neue Akzente gesetzt. Weitere Aktivitäten kamen später vor allem von Konrad und Benedikt Schöller aus Nideggen-Schmidt und Simmerath, von Franz Albert Heinen aus Schleiden, von Dieter Lenzen aus Simmerath-Kesternich, von Dietrich Schubert aus Kronenburg sowie von Nico Biermanns von der RWTH Aachen und von anonymen Aktivisten namens ‚Wandergruppe Eifelgold‘. Ich werde im Folgenden auf die Aktivitäten der Genannten eingehen, bevor ich noch einmal zu meinen eigenen zurückkomme.

Konrad und Benedikt Schöller, Vater und Sohn, beschäftigten sich seit 2014 mit der Erforschung sowjetischer Kriegsgefangener in der Nordeifel. Dies geschah vor allem auf der Basis des digitalen Datenbestandes des Zentralarchivs des Verteidigungs-Ministeriums der Russischen Föderation. Dabei wurden rund 2.200 Personalkarten sowjetischer Kriegsgefangener von ihnen ausgewertet, die auf der Kriegsgräberstätte in Simmerath-Rurberg bestattet sind. Das Ziel der Arbeit bestand u. a. darin, nachvollziehbar zu machen, unter welchen Umständen die dort Bestatteten während der NS-Zeit lebten und starben. Dabei ging es ihnen auch darum, zu verdeutlichen, wie sich die lokale Umgebungsgesellschaft gegenüber den Kriegsgefangenen verhielt. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten wurde auch die Dokumentationsstelle Stiftung Sächsische Gedenkstätte (Dresden) bei der Ermittlung und Verifizierung verstorbener sowjetischer Kriegsgefangener aus dem Bereich des früheren Regierungsbezirks Aachen von ihnen unterstützt.

2015 entwickelten die Schöllers ein Gestaltungskonzept für eine Gedenktafel zur Befreiung Nideggen-Schmidts von der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus durch US-amerikanische Soldaten. Die Tafel wurde im Beisein des US-Generalkonsuls Stephen A. Hubler (Düsseldorf) in der Kirche St. Hubertus eingeweiht und anschließend dauerhaft im dortigen ‚Raum des Friedens‘ installiert, an dessen Gestaltung die Schöllers später, im Jahr 2018, maßgeblich mitwirkten.

Bendedikt und Konrad Schöller 2015 vor ihrer Ausstellung „Verschleppt, verhungert, verscharrt“ in der Kirche St. Hubertus in Nideggen-Schmidt

Noch im selben Jahr entwickelten die Schöllers die Ausstellung „Verschleppt, verhungert, verscharrt“ über sowjetische Kriegsgefangene, die ebenfalls in der Pfarrkirche St. Hubertus erstmals gezeigt wurde. Mit der Behandlung dieser Thematik wurde in der Nordeifel nahezu völliges Neuland betreten. Im Jahr darauf steuerten Sie in dem von Karola Fings und mir herausgegebenen Buch „Hürtgenwald – Perspektiven der Erinnerung“ (siehe oben) den Fachbeitrag „Verschleppt, verhungert, verscharrt – vergessen?“ zum Thema ‚Zwangsarbeit‘ bei.

2016 entwickelten sie eine Konzeption zur Schaffung des Replikats einer seit 1959 verschollenen Gedenktafel. Mit dieser Tafel hatten überlebende Rotarmisten an ihre in deutscher Kriegsgefangenschaft zu Tode geschundenen Kameraden erinnert. Die Tafel befand sich ursprünglich auf dem Waldfriedhof Buhlert. Das Replikat wurde ebenfalls in Sankt Hubertus dauerhaft im ‚Raum des Friedens‘ installiert.

In Anwesenheit kirchlicher Würdenträger und des stellvertretenden Generalskonsuls der Russischen Föderation aus Bonn wurde am 26. Juni 2016 das Replikat der Tafel in St. Hubertus enthüllt. Rechts der Initiator Konrad Schöller

2017 reichten die Schöllers einen Bürgerantrag bei der Stadt Nideggen ein. Es ging ihnen darin um die Kommentierung eines Gedenksteins mit einer äußerst fragwürdiger Inschrift in Nideggen-Schmidt. Auf dem Stein werden Angehörige einer Wehrmacht-Division und US-Soldaten gleichermaßen als ‚Friedensbringer‘ bezeichnet, was die tatsächliche Geschichte des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit quasi auf den Kopf stellt. Verantwortlich für die Setzung des Steins war der niederländische Militaria-Fan, Wehrmachtverehrer und Anhänger der 116. Panzerdivision der Wehrmacht Ron van Rijt, der dabei von dem lokalen Heimatbund 500 Jahre Schmidt e. V. unterstützt wurde. Der Stein war ohne Antrag und Genehmigung 1999 gesetzt worden. 2021 verschwand er.

Der ‚Stein des Anstoßes‘ mit der geschichtsrevisionistischen Botschaft in Nideggen-Schmidt

Vier Jahre lang war der ‚Stein des Anstoßes‘ Thema in Schmidt geblieben. Ich habe die Auseinandersetzung um diesen Stein mit Beiträgen in verschiedenen „Hürtgenwald Newslettern“ begleitet und kommentiert. Dabei ging es mir nicht zuletzt darum, Licht in das Netzwerk der Militariaszene von Teilen der Nordeifel zu bringen, geschichtsrevisionistische Tendenzen offenzulegen und Verantwortliche zu benennen. Folgende Beiträge sind in dem Kontext interessant:„Stein des Anstoßes – ein Schauspiel in fünf Akten: Die Wehrmacht als Friedensbringer in Schmidt“ (mit 3 Anlagen: Bürgerantrag, Brief des Initiators Konrad Schöller an den Bürgermeister, Statement von Dr. Karola Fings | April 2019).

„Gedenkstein in Schmidt: Über den Kern des Problems und seinen Ursprung. Ein Denkanstoß“ (Januar 2020).

„Ausschuss für Stadtentwicklung und Tourismus: Wissenschaftsfreie Zone Nideggen ausgerufen. Ein Kommentar“ (März 2020).

„Wegducken, denunzieren und zensieren. Drei Varianten der Rhetorik von rechts in der Auseinandersetzung um den „Stein des Anstoßes“ in Schmidt. Eine Analyse“ (Juli 2020).

„Der „Stein des Anstoßes“ in Nideggen-Schmidt: Tauben und Masterarbeiten machen’s auch nicht besser“ (November 2020).

Im Mittelpunkt eines Beitrags von Benedikt und Konrad Schöller über „Gedenkorte des Zweiten Weltkriegs – Eine pädagogische Herausforderung“ stand ebenfalls der Skandal-Stein in Schmidt. Publiziert wurde der Text in der Zeitschrift „Pädagogik“ (4/2020).

Außer diesen zum Teil längeren Beiträgen aus den Newslettern verfasste ich auch eine knappe Zusammenfassung für das Portal „Kultur. Landschaft. Digital“ (KuLaDig) des Landschaftsverbands Rheinland, die Sie hier finden.

Weitere Informationen zu den Aktivitäten von Konrad und Benedikt Schöller finden Sie auf deren Website. Als Regio Oratio waren sie gestartet. Seit 2022 firmieren sie unter Geschichtswerkstatt Nordeifel. 2021 wurden sie für ihre herausragende Geschichtsarbeit vom Kreis Düren mit dem Ehrenamtspreis für soziales Engagement ausgezeichnet. 2022 wurde ihnen der Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland für ihr zeithistorisches Engagement verliehen.

Franz Albert Heinen aus Schleiden hat lange als Journalist für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Überregional bekannt geworden ist er aber vor allem durch seine wissenschaftliche Erforschung der NS-Ordensburgen Vogelsang (Eifel), Sonthofen (Allgäu) und Krössinsee (Pommern). Insbesondere seine Studien zur Ausbildung der Ordensjunker und deren spätere Verbrechen in der Sowjetunion haben neue Fakten zutage gefördert und starken Einfluss ausgeübt. Die in Vogelsang entwickelte Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“ hätte es ohne seine Forschungsergebnisse und ohne das von ihm beschaffte Bildmaterial in der Form nicht geben können.

Später beschäftigte sich Heinen ebenfalls mit dem Thema ‚Zwangsarbeit in der Eifel‘. Seine Forschungen fanden 2018 ihren Niederschlag in dem 476 Seiten umfassenden Buch „‘Abgang durch Tod‘. Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945“. Nach dessen Erscheinen habe ich ein längeres Interview mit F.A. Heinen über seine Forschungen geführt.

Mit dem Erscheinen des Buches war das Thema für ihn aber längst nicht erledigt. Er drängte darauf, dass die Verbrechen an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern während der NS-Zeit nicht nur in Buchform festgehalten wurden, sondern dass auch ein öffentlicher Erinnerungsort dafür geschaffen wurde. In dem Gespräch formulierte er es so: „Die Region muss sich endlich zu diesem Thema bekennen. Es darf nicht weiter weggeschaut werden. Und als Ausdruck dieses Bekennens zur eigenen Geschichte gehört ein Erinnerungsobjekt an einen zentralen öffentlichen Ort und nicht etwa irgendwo im Wald.“

Einweihung der Gedenkstele in Mechernich am 9.11.2021: (v.r.) Anna von Laufenberg, die das Denkmal entworfen hat, der Initiator Franz Albert Heinen, die Rezitatorin Katia Franke, Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Landrat Markus Ramers. Foto: Manfred Lang

Das hinzubekommen und abzustimmen war nicht ganz einfach, aber letztendlich erfolgreich. Am 9. November 2021, dem Tag der Reichspogromnacht, wurde vor dem Rathaus in Mechernich (Kreis Euskirchen) eine beeindruckende Stele enthüllt, die zur Erinnerung an die zahlreichen Opfergruppen des NS-Regimes auffordert. Der längere Text darauf endet mit der aktuellen Aufforderung:

Die Zerstörung von Demokratie beginnt mit der Ausgrenzung, Entrechtung und Entmenschlichung einzelner Bevölkerungsgruppen. / Verteidigt den Rechtsstaat / Widersteht Hass und Hetze / Bewahrt den Frieden“.

Ein Filmbeitrag über die Eröffnungszeremonie findet sich auf der Website der Stadt Mechernich. Ebenso ein Flyer, der den gesamten Text der Stele verzeichnet. Ein Beitrag über die Stele findet sich ebenfalls auf der Website von ‚KuLaDig‘ des LVR.

Die Mechernicher Stele wirkte sogar als Vorbild für eine weitere Initiative in der Eifel. Konrad Schöller machte sie gegenüber Ratsvertreterinnen und -vertretern in Nideggen bekannt. Dort gab es den Wunsch, etwas Ähnliches vor dem Zülpicher (Stadt-)Tor in einer Grünanlage zu errichten. Am Am 8. Mai 2022 wurde in Nideggen das Erinnerungsmal eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben. Es besteht aus drei Elementen: Einer Informationstafel mit einem ausführlichen Text, einem Hinweisschild mit einem QR-Code zur Abfrage weiterer Hintergründe sowie aus einem künstlerischen Objekt aus rostigem Cortenstahl, das eine halb geöffnete, vergitterte Tür zeigt, aus der sich eine Friedenstaube Richtung Himmel erhebt. Ein Beitrag darüber findet sich ebenfalls in dem Portal KuLaDig des LVR.

F. A. Heinens Engagement in Sachen ‚Zwangsarbeit‘ war damit aber längst noch nicht beendet. Lange Zeit arbeitete er auch an einer umfangreichen Wanderausstellung zum Thema ‚Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen‘. Sie wurde im September 2022 erstmals in Vogelsang eröffnet und dort für einige Monate gezeigt.

Dieter Lenzen war viele Jahre als Landarzt in Simmerath-Kesternich tätig. Nach seiner Pensionierung widmete er sich ebenfalls des regionalen Themas ‚Zwangsarbeit‘. 2018 erschien sein Buch „Zwangsarbeit im Kreis Monschau 1939-1945“. Details zu seinem Schaffen finden Sie in einem Interview, das ich mit Herrn Lenzen nach Erscheinen seiner Publikation geführt hatte.

Damit war seine zeithistorische Forschungsarbeit aber noch nicht beendet. 2021 brachte sein Verlag Hahne & Schloemer (Düren) sein zweites Buch „‘… an Lungenentzündung und Herzschwäche ruhig eingeschlafen …‘ Zwangssterilisationen und Euthanasieverbrechen im Kreis Monschau“ heraus. Auch darüber führte ich ein Gespräch mit ihm für den Hürtgenwald Newsletter.

Nico Biermanns leistete einen weiteren wichtigen Beitrag für die NS- und Nachkriegsgeschichte der Region. Als Student der Geschichte an der RWTH Aachen veröffentlichte er 2019 das Buch „Landarzt und SS-Sturmbannführer. Der Kreuzauer Arzt Dr. med. August Bender. Eine kritische Biografie“.

August Bender (1909-2005) war während der NS-Zeit ein begeisterter Anhänger der Nationalsozialisten und sowohl der NSDAP als auch der SS beigetreten. In der SS begann seine eigentliche Karriere. 1938 bewarb er sich als Arzt bei den SS-Totenkopfverbänden, wurde zum SS-Untersturmführer befördert und erlangte eine Anstellung bei der Sanitätsabteilung der SS-Totenkopfstandarten und Konzentrationslager. Benders Arbeitsplatz war Buchenwald. Nach dem Krieg setzte er seine Karriere in der bundesdeutschen Verdrängungsgesellschaft der 1950er Jahre ungebrochen als Arzt in Kelz bei Vettweiß fort. Nachdem er am 29. Dezember 2005 im Alter von 96 Jahren gestorben war, widmeten ihm die Kultur und Naturfreunde Kelz, obwohl seine NS-Vergangenheit bekannt war, eine Gedenktafel im Kulturhaus – später wurde sie wieder entfernt. Eine Rezension zu Nico Biermanns Buch finden Sie hier.

Dietrich Schubert aus Kronenburg hatte als Fotograf und Dokumentarfilmer schon sehr früh damit begonnen, sich mit der Kriegs- und Nachkriegsgeschichte der Eifel und des Grenzlandes zu Belgien auseinanderzusetzen. Seine über ein Dutzend ‚Eifel-Filme‘ können heute als wesentlicher Teil eines ‚Eifel-Archivs‘ begriffen werden, denn der größte Teil der von ihm befragten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen lebt inzwischen nicht mehr. Seine Filme, die als DVDs vorliegen, tragen daher zu Recht die Kennzeichnung ‚Filme gegen das Vergessen‘. Den gesamten Filmbestand kann man auf seiner Website einsehen. Ein längeres Interview mit ihm unter dem Titel ‚Filme gegen das Vergessen‘ führte ich 2022. Es wurde in der Broschüre des 38. Hürtgenwald-Marsches (S. 22-33) abgedruckt, dessen Bildungsprogramm Schubert mit seinem Film „Nicht verzeichnete Fluchtbewegungen oder Wie die Juden in der West-Eifel in die Freiheit kamen“ bereicherte.

Auch für Schubert war das Thema ‚Zwangsarbeit in der Eifel‘ lange Zeit ein Thema und tauchte bereits in seinem Film „Kriegsjahre in der Eifel“ (1989) auf. Später nutzte er die bereits erwähnten Untersuchungen der Schöllers, sowie die von Heinen und Lenzen um die Standorte ehemaliger Zwangsarbeitslager in der Nordeifel, von denen heute kaum mehr Spuren sichtbar sind, mit einer Großformatkamera aufzunehmen. Er entwickelte daraus eine kommentierte Ausstellung, die 2021 erstmals in Euskirchen gezeigt wurde.

Dietrich Schubert 2021 mit seiner analogen Großformatkamera bei der Ablichtung von Standorten ehemaliger Zwangsarbeitslager. Foto: Katharina Schubert

Das Thema war damit aber längst nicht ausgeschöpft. Nicht weit von Kronenburg entfernt, befand sich früher das Reichsarbeitsdienstlager Bevertberg, in dem später auch sowjetische Zwangsarbeiter untergebracht und zum Teil zu Tode geschunden wurden. Die Gemeinde Dahlem reagierte positiv auf Schuberts Anregung, nahe der Stelle des ehemaligen Lagers eine Informationstafel aufzustellen. Im Februar 2022 wurde das Vorhaben umgesetzt. F. A. Heinen verfasste darüber einen Beitrag für KuLaDig.

Von rechts: Dietrich Schubert, Dahlems Bürgermeister Jan Lehmbach und der Ortsvorsteher von Berk Manfred Braun bei der Vorstellung der Erinnerungstafel an das Lager Bevertberg am 16. Februar 2022. Foto: F. A. Heinen

Zum Abschluss der Übersicht über die positiven Akteure der Region Nordeifel noch ein Hinweis auf die anonyme Gruppierung ‚Wandergruppe Eifelgold‘. Die Gruppe hatte erstmalig 2019 auf sich aufmerksam gemacht, als sie die Wanderschilder des rund 200 Kilometer langen Karl-Kaufmann-Wegs des Eifelvereins von Brühl nach Trier mit Aufklebern bestückt hatte, die auf die NS-Vergangenheit Kaufmanns aufmerksam machten. Der Eifelverein hatte die Vergangenheit seines Ex-Vorsitzenden zuvor bewusst übergangen; nach der Aktion wurde der Weg in Ville-Eifel-Weg umbenannt.

Die am Eingangsgebäude der Gräberstätte Simmerath-Rurberg im Juli 2020 installierte und bald darauf von der Gemeinde entfernte Informationstafel der anonymen ‚Wandergruppe Eifelgold‘. Foto: Klaus Kleefeld

2020 wurde die Gruppe erneut aktiv. Sie reagierte auf das langjährige Unvermögen der Gemeinde Simmerath, die sowjetische Gräberstätte in Simmerath-Rurberg mit einer Informationstafel zu versehen. Bis dahin war völlig unklar, wie die dort Bestatteten umgekommen waren und dass das nationalsozialistische Deutschland dafür die Verantwortung trug. Die ‚Wandergruppe Eifelgold‘ brachte im Juli 2020 eine deutsch- und russischsprachige Tafel am Eingangsgebäude der Gräberstätte an, auf der sie sachlich über die dort bestatteten Toten informierte.

Der damalige Bürgermeister, Karl-Heinz Hermanns (CDU), war empört über die Aktion und ließ die Tafel umgehend entfernen. Eine törichte Entscheidung, die letztendlich nur die bis dato eigenen Versäumnisse unterstrich. Die ‚Wandergruppe Eifelgold‘ reagierte darauf mit der Verbreitung von Aufklebern, auf denen der völlig unangemessene Umgang der Gemeinde mit der NS-Vergangenheit und der Entstehung der Gräberstätte angegangen wurde.

Aufkleber der anonymen ‚Wandergruppe Eifelgold‘ vom August 2020

Kurze Zeit später fand ein Wechsel des Bürgermeisters statt, und die Gemeinde Simmerath entschied sich dafür, die sowjetische Gräberstätte Rurberg durch eine Ausstellung erklären zu lassen. Wann die präsentiert werden kann, ist ungewiss. Nähere Angaben zu der sowjetischen Gräberstätte finden Sie wiederum in einem längeren KuLaDig-Beitrag von mir, in dem auch die Aktivitäten der ‚Wandergruppe Eifelgold‘ erwähnt werden und der Text der entfernten Tafel vollständig wiedergegeben wird.

Rückwärtsgewandte und unqualifizierte Initiativen und Akteure

Natürlich gab es in den zurückliegenden Jahren nicht nur positive Entwicklungen. Es gab auch Aktionen und Tendenzen, die auf einem deutlichen Mangel an historischem Wissen und / oder auf einer reaktionären Haltung beruhten. Drei Beispiele dazu: eines aus Roetgen, eines aus Vossenack und ein weiteres sowohl aus Vossenack als auch aus Nideggen-Schmidt. Es handelt sich dabei nur um eine lose Auswahl.

In der Juli-Ausgabe 2019 der Roetgener Blätter veröffentlichte der Heimat- und Geschichtsverein Roetgen e. V. unter der Rubrik „Das schöne Bild“ eine Fotografie, die Adolf Hitler beim Besuch der Dreilägerbachtalsperre in der Eifel zeigt. Dieser Ausrutscher blieb nicht ohne Folgen. Die Aachener Nachrichten griffen den Fall in ihrer Ausgabe vom 16. Juli 2019 auf, Hubert vom Venn, Kabarettist, Autor und Vorsitzender des Bezirksvereins Aachener Presse, kommentierte ihn gegenüber der Zeitung, und anschließend folgten Leserbriefe auch aus dem regionalen Militaria-affinen Netzwerk. Sie finden sie hier. Ich verfasste dazu einen eigenen Kommentar, in dem ich mich mit rechten Akteuren wie dem Aachener Verleger des Helios Verlags, Karl-Heinz Pröhuber, und seinem Autor, Jürgen Siebertz , sowie den Äußerungen von zwei Vereinsvorständen auseinandersetzte. Ziel von Pröhuber/Siebertz war es, das Vorgehen der Alliierten während des Krieges in den Mittelpunkt zu rücken, es abzuwerten und die deutsche Kriegsschuld auszublenden. Auch die ideologischen Grundlagen der deutschen Kriegsführung – Antisemitismus, völkisches Denken und Rassismus – blieben bei ihnen bewusst außen vor.

Ein weiterer Vorgang des Jahres 2019 betrifft die katholische Kirche St. Josef und deren umstrittenen und inkompetenten Pfarrer Axel Lautenschläger in Vossenack. Anlässlich des ‚Internationalen Hürtgenwaldmarsches‘ der Bundeswehr hielt Lautenschläger vor der Kirche eine Rede, die unangemessener nicht hätte ausfallen können. Lautenschläger verband den Mordanschlag von Halle mit einer reaktionären Kritik an der Flüchtlingspolitik, an Justiz, Polizei und der „medialen Elite“. Einen solch kruden Mix ist man sonst nur von Gruppen gewohnt, die am äußersten rechten Rand der Verschwörungstheoretiker agieren. Lautenschläger reiht sich damit in die Phalanx fragwürdiger Pfarrer der Vossenacker Kirche St. Josef ein, die einen äußerst negativen Einfluss auf die Erinnerungskultur vor Ort ausübten und ausüben.

Dazu drei Lektüreangebote. Ein eigener Kommentar zu Lautenschlägers Parolenmix und zu der Tradition, in der er damit steht: „Pfui, Teufel – Eine Intervention“. Außerdem eine Abschrift seiner Rede. Und zum Umgang von Lautenschlägers Vorgängern Matthias Hegger und Felix Dörpinghaus mit dem Thema Nationalsozialismus und mit dem Kriegsgedenken in der Pfarre St. Josef eine Stellungnahme des Aachener Althistorikers Jörg Fündling, verfasst im Auftrag des Bischöflichen Generalvikariats.

Eingangspforte der Kirche St. Josef mit den deutlich überhöhten Opferzahlen – bislang ohne jegliche Kommentierung

Dass die Kirche St. Josef heute immer noch durch die vermutlich an Kriegsverbrechen beteiligte 116. Panzerdivision der Wehrmacht überformt ist und auf der Eingangspforte falsche Kriegsopferzahlen nennt, bleibt weiterhin ein Thema für die Gemeinde Hürtgenwald, den Kirchenvorstand und das Bischöfliche Generalvikariat. Wie lange will das Generalvikariat noch an Lautenschläger festhalten? Wann wird die Kirche St. Josef kritisch und kompetent kommentiert?

Im Jahr 2021 wurden sogenannte ‚Hörstellen‘ durch den Verein Liberation Route NRW e. V. im Bereich der Eifel errichtet. Meine Einschätzung dazu fand ihren Niederschlag in den Aachener Nachrichten vom 28.1.2021. Dem Verein steht – wie in den Anfängen dem rechtsgerichteten ‚Windhund-Förderverein‘-Verein – der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Hürtgenwald, Axel Buch (CDU), vor, der aus seinen vergangenen Fehlern bei der Kooperation mit rechten Militaria-Anhängern offensichtlich nichts gelernt hat. An seiner Seite steht der Biologe Gotthard Kirch, der bis dato den Rureifel Tourismus e. V. als Buchs Adlatus geleitet hatte und ihm nun bei Liberation Route NRW als Geschäftsführer zur Seite steht. Verantwortlich zeichnen beide für die Hörstationen, die in Vossenack und Nideggen-Schmidt errichtet wurden.

Es lohnt sich, in beide Stationen auf der Website der Liberation Route MRW e. V. hineinzuhören, um einen sinnlichen Eindruck davon zu gewinnen, wie dadurch versucht worden ist, zwei Episoden der Nachkriegszeit durch Sprache und Diktion mit Zuckerguss zu überziehen. Die betuliche Redeweise der Sprecher, die religiös-verkitschten Erzählungen, die süßliche Musik, die das Ganze noch untermalt – all das lässt einen eher glauben, in einem Märchenpark gelandet zu sein, als in einer zeithistorisch bedeutenden Kriegs- und Erinnerungslandschaft. Sie finden den zeithistorischen Murks auf deren Website.

Die Hörstation vor der Kirche St. Josef in Vossenack macht aus der Geschichte des Kriegsgräberstättenverwalters Julius Erasmus eine absurde Märchenerzählung

Die Hörstelle in Vossenack vor der Kirche St. Josef schreibt die Legende von der Selbstaufopferung des Totengräbers Julius Erasmus völlig unkritisch fort. Und die Station am Rande Nideggen-Schmidts feiert die Rückgabe eines Goldrings, der bei einem toten Soldaten der US-Army gefunden wurde. Der Finder nimmt ihn einfach mit und denkt offensichtlich nicht darüber nach, dass ein solcher Gegenstand amerikanischen Dienststellen übergeben werden müsste. Thematisiert wird nun in der Hörstation aber keineswegs die Frage, ob es sich dabei um einen Gesetzesverstoß gehandelt hat, vielmehr wird die bis dahin intransparente Geschichte einer problematischen Aneignung zu einer Familienromanze aufgeblasen, die nur glückliche Menschen kennt.

Beraten ließen sich Buch und Kirch bei der Entwicklung der beiden Hörstationen von Angehörigen der Militaria-Szene. Beide Hörstellen sollten entfernt oder die damit verbundenen Texte auf wissenschaftlicher Grundlage komplett umformuliert werden. Dem Verein Liberation Route NRW sollte jede Form staatlicher Unterstützung entzogen werden.

Nähere Ausführungen zu dem Thema finden Sie in meinem Beitrag „‚TOURISTIK FATAL“ – Zur Kontinuität des Versagens politischer und touristischer Akteure am Beispiel der Hörstellen in Vossenack und Schmidt“.

Soweit zu den unqualifizierten, in Teilen rechtsgerichteten Akteuren und Objekten im Bereich ‚Hürtgenwald‘/Nordeifel. Natürlich ist damit nur ein Ausschnitt erfasst. Im nächsten Abschnitt gehe ich noch einmal auf meine eigenen Aktivitäten in den zurückliegenden Jahren ein.

Meine eigenen Aktivitäten seit 2017 –
Teil 1: der ‚Internationale Hürtgenwaldmarsch‘

Eine erfreuliche Entwicklung hat seit 2021 der jährlich stattfindende ‚Internationale Hürtgenwaldmarsch‘ des Landeskommandos NRW der Bundeswehr genommen. Im Oktober 2017 meldeten sich erstmals lokale Akteurinnen und Akteure mit einem „Denkanstoß“ zu Wort und forderten „Respekt vor den Kriegstoten statt Klamauk“. Ihre Intervention stieß auf reges Interesse. Von ihnen wurde auf der Veranstaltung ein Flyer verteilt, der sich zu Recht kritisch mit der bis dato üblichen Inszenierung der Veranstaltung mit Living-History-Akteuren auseinandersetzte. Diese romantisierten nicht nur das Kriegsgeschehen, sondern zerstörten auch Teile des Bodendenkmals ‚Kall-Trail‘, indem sie dort eigene Löcher für ihre Inszenierungen buddelten. Meine Versuche, den damaligen Bürgermeister, Axel Buch (CDU), dazu zu bewegen, in der Sache einzuschreiten, wurden von ihm beiseite gewischt.

Zerstörung des Bodendenkmals ‚Kall-Trail‘ durch den Hürtgenwaldmarsch der Bundeswehr im Jahr 2016

Zu den erst späten Veränderungen konnte ich dennoch einiges beitragen. 2017 hatte ich einen Beschwerdebrief an die damalige Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, gerichtet. Die wesentlichen Kritikpunkte: Der lokale Mitveranstalter, die ‚Reservistenkameradschaft Hürtgenwald‘, kooperierte seit Jahren mit Rechtsextremisten der Firma ‚Alfashirt‘ aus Langerwehe und warb für sie.

Werbebanner der ‚Reservistenkameradschaft Hürtgenwald e. V.‘ mit dem Logo der Firma ‚Alfashirt‘ unten rechts

Die Firma vertrieb T-Shirts, Babystrampler und andere Objekte mit den Aufschriften „Ruhm und Ehre der Wehrmacht“, „Am 8. Tag schuf Gott die Wehrmacht“, „Kameradschaft, Vaterland, Ehre, Wehrmacht“,  „Ruhm und Ehre den deutschen Frontsoldaten“ (T-Shirts),  „Mein Stahlhelm ist schon gepresst“ (Spruch mit Wehrmachthelm auf Babystrampler), „Durch Frankreich nur auf Ketten“ (Wehrmachtpanzer zielt auf Eiffelturm). Außerdem wurden Nazi-Idole wie Albert Leo Schlageter, Walter Model, Hans Ulrich Rudel, Eduard Dietl und vor allem die lokal über Jahrzehnte präsente ‚Windhund‘-Division („Flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“, ein Spruch Hitlers auf dem Reichsparteitag am 14.9.1935 in Nürnberg) auf verschiedene Träger gedruckt und vertrieben.

     

Ich hatte auch noch darauf hingewiesen, dass der stellvertretenden Vorsitzende der ‚Reservistenkameradschaft Hürtgenwald‘, Claus Höppner, während einer parallel verlaufenden Veranstaltung auf dem Areal der 116. Panzerdivision der Wehrmacht bei Vossenack Aufstellung neben der aus Hessen stammenden ‚Marschgruppe Hürtgenwald‘ und deren ‚Führer‘ Otto Baumann genommen hatte. Baumann ist Mitglied der AfD und zählte im März 2015 zu den wenigen Erstunterzeichnern westlicher Bundesländer der von Björn Höcke (Thüringen) und von André Poggenburg (Sachsen-Anhalt) aufgesetzten ‚Erfurter Resolution‘, dem Gründungsdokument des inzwischen aufgelösten rechtsextremen ‚Flügels‘ der AfD, deren Protagonisten diese heute jedoch nahezu vollständig dominieren. Inzwischen wurde Baumann aus dem Reservistenverband der Bundeswehr ‘rausgeschmissen. Die ‚Reservistenkameradschaft Hürtgenwald‘ pflegte über Jahre Kontakt zu dessen ‚Kurhessischer Marschgruppe‘.

Durch mein Anschreiben und weitere Interventionen beim Landeskommando der Bundeswehr kam langsam Bewegung in die Sache. Das Landeskommando trennte sich als Mitveranstalter von der politisch zwielichtigen ‚Reservistenkameradschaft Hürtgenwald‘ und erklärte sich bereit, mit neuen Kooperationspartnern zusammenzuarbeiten. Das Ziel: Die Veranstaltung mehr in Richtung Bildung zu entwickeln und damit auch stärker für die regionale Zivilbevölkerung zu öffnen und attraktiv zu machen.

Eva Müller-Hallmanns, Grafikdesignerin aus Vossenack, hatte 2021 einen eigenen Stand entworfen, an dem Besucherinnen und Besucher ihr Urteil über die Neuausrichtung des Hürtgenwaldmarsches hinterlassen konnten
Oberst Detlev Konrad Adelmann im Gespräch mit Konrad Schöller vor dessen Ausstellung über das Thema ‚Zwangsarbeit‘
Prof. Christoph Rass (rechts) erläutert Bundeswehrangehörigen die Forschungen der Uni Osnabrück zum Thema ‚Konfliktlandschaften‘
Das Axensprung Theater Hamburg inszeniert das Stück ‚VULKAN – Weimar zwischen Glanz und Gosse‘

2020/21 brachte ich das Landeskommando erstmals mit Vertreterinnen und Vertretern des Landschaftsverbands Rheinland, der Geschichtswerkstatt Nordeifel (Benedikt und Konrad Schöller), der Universität Osnabrück, des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und von Vogelsang IP zusammen. Weitere Institutionen und Einzelpersonen folgten. Damit war ein Durchbruch geschafft, und der 37. Hürtgenwaldmarsch 2021 bekam eine völlig neue Ausrichtung mit zeithistorischen Vorträgen, zahlreichen Ausstellungen, einer Theateraufführung und einigem mehr. Auch über dessen Umbenennung macht sich das Landeskommando inzwischen Gedanken. Eva Müller-Hallmanns (Vossenack) entwarf dazu eine kunstvolle Stele, an der Interessenten beim 38. Hürtgenwaldmarsch (3.9. 2022) Kommentare und Vorschläge zur Umbenennung einwerfen konnten.

 

Dass sich der ‚Internationale Hürtgenwaldmarsch‘ seit 2021 von einer Marsch- und Saufveranstaltung zu einer Kultur- und Bildungsveranstaltung entwickelt hat, tut der Region gut. Die Umstrukturierung ist gut angekommen und wird weiter ausgebaut. Ich selbst unterstütze das Landeskommando bei der Auswahl von Themen, Referentinnen und Referenten und der Abfassung von Publikationen und Werbemaßnahmen daher auch gerne weiter.

Meine eigenen Aktivitäten seit 2017 –
Teil 2: Beratung des Kreises Düren und der Gemeinde Hürtgenwald

Im Juli 2020 ernannte mich der Kreis Düren zum ehrenamtlichen Beauftragten für die beiden Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack. Meine Aufgaben sollten darin bestehen, „den Kreis Düren bei Kontrolltätigkeiten auf den Kriegsgräberstätten zu unterstützen und u. a. dort abgelegte Kränze oder Gebinde, deren Platzierung gegen die Friedhofsordnung verstoßen, zu entfernen“. Das betraf in der Vergangenheit vor allem Kränze von rechten und rechtsextremistischen Organisationen, deren Vorhandensein ich hin und wieder beim Landrat und bei dem damaligen Gemeindebürgermeister Axel Buch gemeldet oder sie selbst – auch ohne Auftrag – entfernt hatte.

Über diese Aufgabe hinaus erwartete der Kreis von mir, dass ich „Anregungen zur Weiterentwicklung der mit den Grabstätten verbundenen Erinnerungskultur“ geben sollte – was geschah. Eine enge Kooperation schloss ich in dem Kontext auch mit der Kreispolizei in Düren. Mir geht es nicht zuletzt darum, rechtsradikale Akteurinnen und Akteure vor Gericht zu bringen, die Informationstafeln und Ausstellungsteile beschädigen.

Sich für eine demokratische Erinnerungskultur einzusetzen, kann allerdings niemals nur Aufgabe eines Einzelnen sein. Gefordert ist da die gesamte Zivilgesellschaft. In einem Staatswesen, das durch Rechtsextremismus bedroht wird und in dem sich Wehrmachtverehrer, Weltkriegsromantisierer und „Vogelschiss“-Akteure (Alexander Gauland & Co., AfD) tummeln, hat die Zivilgesellschaft eine wichtige Wächterfunktion. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Demokratische Verhältnisse müssen jeweils vor Ort erstritten und verteidigt werden. Das gilt besonders für die Region Hürtgenwald, die erinnerungspolitisch einiges aufzuholen hat.

Im April 2021 wurde ich seitens der Gemeinde Hürtgenwald gebeten, sie in Sachen Erinnerungskultur zu beraten. Das geschah durch mich seitdem – wiederum ehrenamtlich – in einem Ausschuss für Erinnerungskultur. Meine Ernennung zum Berater war durchaus nicht unumstritten. Die Hintergründe dafür waren mir selbst kaum bekannt. Ich konnte sie aber am 17. April 2021 in einem Artikel von Sarah Maria Berners in den Aachener Nachrichten nachlesen. Frau Berners schrieb unter der Überschrift „Die Personaldebatte bleibt hitzig“ u. a.:

„Über […] die zu vielen verschiedenen möglichen Wege – und vor allem über die zu beteiligenden Personen scheiden sich aber weiterhin die Geister: vor allem an der Person Frank Möller, unter dessen Federführung vor Jahren in einem Moratorium Punkte für die Veränderung in der Gemeinde festgehalten wurden und dessen Verhältnis zum Geschichtsverein und weiteren Gesprächspartnern in der Politik offensichtlich sehr zerrüttet ist. Gleichwohl soll Möller nun – ebenso wie ein Vertreter des Geschichtsvereins, der das Museum Hürtgenwald betreibt – beratendes Mitglied im Projektausschuss der Gemeinde werden. […]

Es bleibt spannend, wann der Ausschuss konkrete Ergebnisse präsentieren kann, die dann auch in der Gemeinde sichtbar werden. Denn Kritiker befürchten, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit Möller, der die Beteiligten vor Ort in der Vergangenheit heftig und harsch kritisiert hat, überhaupt nicht möglich ist. ‚Mit Möller kann man am Anfang gut reden und irgendwann fühlt man sich vorgeführt. Das Gremium wird sich abarbeiten‘, sagt Volker Beißel (CDU). Es gebe andere fachlich versierte Personen, deren Einbindung dem Gremium bei der Fortentwicklung der Erinnerungslandschaft sicher mehr helfen würde. Die CDU und der Geschichtsverein wünschen sich die Expertise dieser Wissenschaftler, die mit den Protagonisten vor Ort besser zurechtkommen und kommunikativ mehr auf einer Ebene liegen würden.

Die SPD verweist darauf, dass Möller nun mal ein ‚Player‘ in dieser Gemengelage sei, der eingebunden werden müsse, um Ruhe in die Sache zu bekommen. Die Ausgangspunkte aus dem Moratorium seien schließlich nicht falsch, zudem sei er vom Kreis für die beiden Kriegsgräberstätten bestellt.“

Tja – so kann es klingen, wenn man eine über Jahrzehnte verfehlte Erinnerungspolitik und deren Träger zu Recht nachhaltig kritisiert.

In der ersten Sitzung des Ausschusses für Erinnerungskultur der Gemeinde Hürtgenwald schlug ich vor, eine zweitägige Tagung zum Thema ‚Nordeifel – Maßstäbe für Neue Wege der Erinnerung‘ zu planen. In den folgenden Sitzungen legte ich ein inhaltliches Konzept vor und benannte mögliche Referentinnen und Referenten. Parteiübergreifend wurde dem zugestimmt. Inzwischen (Stand: September 2022) gibt es Bemühungen, institutionelle Kooperationspartner in der Sache zu gewinnen, um die Tagung finanzieren und organisatorisch auf die Beine stellen zu können. Die Ergebnisse sind noch offen.

Meine eigenen Aktivitäten seit 2017 –
Teil 3: Informationen über die Kriegsgräberstätten Vossenack und Hürtgen

Auf der Kriegsgräberstätte Vossenack ist das vermeintliche Grab des Antisemiten und Kriegsverbrechers Walter Model ein besonderer Anziehungspunkt für Rechtsextremisten und Wehrmachtverehrer, auch aus den benachbarten Ländern Belgien und den Niederlanden. Ich begann 2019 damit, mich mit Models Geschichte zu beschäftigen. Seltsamerweise gab es dazu bis dato keinerlei Untersuchungen aus der Region, lediglich einen Model verehrenden Text des Aachener Militaria-Verlegers Karl-Heinz Pröhuber, den dieser 2007 für den Geschichtsverein Hürtgenwald geschrieben hatte und der von dem Verein veröffentlicht worden war.

Verehrung des Kriegsverbrechers Walter Model, März 2017

Im Zuge meiner Recherchen in verschiedenen Archiven kam ich immer mehr zu der Überzeugung, dass Models Knochen 1955 gar nicht wirklich auf die Kriegsgräberstätte Vossenack umgebettet worden waren. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen veröffentlichte ich 2021 im ‚Jahrbuch des Kreises Düren‘ unter dem Titel „Models Knochen – Models Grab?“. Verbunden waren meine Recherchen zudem mit Vor-Ort-Untersuchungen der ‚Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften‘ der Universität Osnabrück, die dabei geodätische Messungen und Untersuchungen mit einem Georadar auf der Kriegsgräberstätte Vossenack vornahmen. Die anschließend vorliegenden Prospektionsdaten waren aber nicht ausreichend. Um Gewissheit über die Grabstelle zu erlangen, wäre eine archäologische Grabung nötig. Die steht bis heute aus. Wann wird sie erfolgen?

Installation der Ausstellung neben der Kriegsgräberstätte Hürtgen im Juni 2021

Mit dem Kreis Düren und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge einigte ich mich in diesem Zeitraum zudem darauf, dass die Kriegsgräberstätte Hürtgen einer näheren Erläuterung bedürfe. Wir kamen zu dem Ergebnis, im unteren Teil des Gebäudes neben der Gräberstätte, in dem der Friedhofswärter lebt, eine Dauerausstellung einzurichten. Der entsprechende Raum dort ist öffentlich zugänglich. Auch in diesem Fall wunderte es mich, dass bislang keine aufschlussreichen Veröffentlichungen aus der Region über die Kriegsgräberstätte vorlagen. Kontakte zu den Universitäten München und Osnabrück sowie zu verschiedenen Archiven ließen mich deren Geschichte erschließen. Zusammen mit der Grafikdesignerin Eva Müller-Hallmanns aus Vossenack schufen wir acht Tafeln für den zugänglichen Raum und brachten sie – ehrenamtlich – zusammen mit ihrem Mann an. Seit dem Juli 2021 kann die Ausstellung ganztägig besichtigt werden. In dem Raum liegt auch eine Gräberliste zur Einsicht aus. Rechtsextremistische Übergriffe auf die Ausstellung blieben seit ihrer Eröffnung nicht aus.

Das Heft hat 28 Seiten und kostet im Buchhandel 3.- €

Wer eine Ausstellung entwickelt, sammelt dafür viel mehr Wissen an, als letztendlich auf den Tafeln festzuhalten ist. Deshalb bot ich dem ‚Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz‘ an, ein Heft für seine Reihe ‚Rheinische Kunststätten‘ zu verfassen, das die beiden Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack miteinander verglich; denn beide Gräberstätten sind nach sehr unterschiedlichen landschaftsarchitektonischen Prinzipien von den Architekten Carl Ludwig Schreiber und Robert Tischler entwickelt und 1952 eingeweiht worden. Tischler, der ehemalige Chefarchitekt des Volksbundes, blieb bei seinem Entwurf für Vossenack dem ‚Heldengedenken‘ des Wehrmachtkollektivs, das er aus der NS-Zeit weiter transportierte, verhaftet; Schreiber setzte erheblich stärker auf die individuelle Erinnerung an die einzelnen Toten und kritisierte auch Tischlers Inszenierung mit Symbolkreuzgruppen. Das Heft „Die Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack in der Nordeifel“ erschien 2021.

Weil die Hefte auch für höhere Schulklassen geeignet sind, hat der Kreis Düren davon 1.500 Exemplare angekauft. Wer also Hefte für den Schulunterricht und die entsprechenden Lehrerkolleginnen und -kollegen benötigt, kann sich an das Schulamt des Kreises wenden. Von dort aus kann man sich die Hefte kostenlos und in beliebiger Stückzahl zukommen lassen. Die Kontaktadresse dafür lautet: Kreisverwaltung Düren, Amt 40, z. Hdn. Frau Lucia Breuer, Bismarckstraße 16, 52351 Düren, Mail: amt40@kreis-dueren.de

Meine eigenen Aktivitäten seit 2017 –
Teil 4: Entfernung eines fragwürdigen Gedenksteins

Auf der Kriegsgräberstätte Vossenack wurde 2006 vom Förderverein ‚Windhunde mahnen zum Frieden‘ unter der damaligen Leitung des Ortsvorstehers von Gey und Vorsitzenden des ‚Windhund-Fördervereins‘, Helmut Rösseler (CDU), ein Gedenkstein aufgestellt. Seine Platzierung dort war ebenso absurd wie die Aufstellung des Steins in Nideggen-Schmidt, der die Wehrmacht als ‚Friedensbringer‘ feierte. An dem Stein auf der Kriegsgräberstätte Vossenack waren 2006 bereits drei Dinge problematisch: Zum einen war es keinesfalls angemessen, zwei Metalltafeln auf einem Doppelkreuz anzubringen, das ursprünglich von der Kriegsgräberstätte Hürtgen stammte. Diese Doppelkreuze waren zu Beginn der 1950er-Jahre von dem Landschaftsarchitekten Carl Ludwig Schreiber speziell für die Kriegsgräberstätte Hürtgen entworfen worden. Schreiber hatte damals auch in einem Aufsatz betont, dass sie in bewusster Abgrenzung zu den militaristisch inszenierten Symbolkreuzen geschaffen worden waren, die der Architekt der Kriegsgräberstätte Vossenack, Robert Tischler, dort hatte aufstellen lassen.

Der Stein der Anhänger der 116. Panzerdivision der Wehrmacht

Entscheidender sind jedoch die Texte auf den beiden Tafeln und deren kontextuale Verbindung mit der Kriegsgräberstätte Vossenack. Auf der linken Tafel befand sich ein Spruch des heute im Kontext des Missbrauch-Skandals der katholischen Kirche zu Recht umstrittenen Ex-Papstes Benedikt XVI (ehemals Kardinal Joseph A. Ratzinger), auf der es hieß:
„Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.“

Die rechte Tafel war unterzeichnet mit „Förderverein ‚Windhunde mahnen zum Frieden‘ e V. und die Angehörigen der ehem. 116. Panzer-Division“. Der Text dort lautete:
„Gedenke mit uns der Soldaten der Bundeswehr, die im Dienst für Frieden und Freiheit ihr Leben ließen.“

Die beiden Metallschilder mit der absurden Textkombination

2021 hatte ich den Stein bereits zum Thema beim Kreis Düren gemacht. Im Februar 2022 kontaktierte ich als Beauftragter des Kreises für die Kriegsgräberstätte das Bundesverteidigungsministerium in der Sache und schrieb an die neue Ministerin, Frau Lambrecht: „Das Problem an den Tafeln ist nicht dieser letzte Gedenkspruch, der an die Toten der Bundeswehr erinnert. Der Wunsch, ihrer zu gedenken, ist nachvollziehbar. Die Standortwahl des Steines diskreditiert aber die nur scheinbar gute Absicht der Initiatoren des Fördervereins der 116. Panzerdivision der Wehrmacht. Denn ein Gedenkstein für Bundeswehrsoldaten an einer Gräberstätte, auf der vorwiegend Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS bestattet sind, erzeugt einen Subtext, bei dem die Spezifik des verbrecherischen nationalsozialistischen Vernichtungskrieges, an dem die 116. Panzerdivision der Wehrmacht maßgeblich beteiligt war, ausgeblendet wird. Die Geschichte wird damit dahingehend verdreht, dass alle Soldaten – auch diejenigen der nationalsozialistischen Wehrmacht und Waffen-SS – zu allen Zeiten als ‚Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker‘(Tafel 1) ihren Dienst leisten bzw. geleistet haben. Diese revisionistische Botschaft widerspricht eindeutig dem aktuellen Traditionserlass der Bundeswehr, in dem die Wehrmacht als ein ‚Instrument der rassenideologischen Kriegsführung‘ eingeordnet wird, das in die Verbrechen des NS-Regimes ‚schuldhaft verstrickt‘ war [Absatz 2.3]. Für die eigene Traditionsbildung wird daraus der Schluss gezogen, dass die Wehrmacht ‚[f]ür die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates […] als Institution nicht traditionswürdig [ist]. Gleiches gilt für ihre Truppenverbände sowie Organisationen, die Militärverwaltung und den Rüstungsbereich.‘ [ebd., Absatz 3.4.1].“

In seinem Antwortschreiben verwies das Bundesverteidigungsministerium darauf, dass Stellungnahmen vom zuständigen Landeskommando der Bundeswehr und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge NRW zu dem Fall eingeholt werden sollten, weil beide Institutionen geografisch näher an der Sache dran seien. Auf meine Anfrage hin reagierten beide Adressaten mit einer eindeutigen Stellungnahme an
den Kreis Düren. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass bereits im Jahr 2006 allgemein bekannt war, dass Wehrmachtsoldaten und Angehörige von SS-Einheiten im Dienste der verbrecherischen NS-Diktatur gestanden und sich in Teilen der Missachtung von Kriegs- und Menschenrechten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten. Auch ‚unbescholtene Soldaten‘, die sich persönlich keiner Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten, hätten ihren Kriegsdienst in diesem Kontext versehen und seien auf diese Weise schuldig geworden. Die tasächliche NS-Geschichte werde damit ‚verdreht‘. Beide Sprüche stellten die Kriegsgräberstätte in einen ahistorischen Kontext und legitimierten damit die Taten von Wehrmacht und SS. Die Schlussfolgerungen, die sowohl vom Volksbund NRW als auch vom Landeskommando der Bundeswehr gezogen wurden, lauteten daher übereinstimmend, dass der 2006 gesetzte ‚Gedenkstein‘ von der Kriegsgräberstätte entfernt werden solle.

Die von dem Stein befreite Fläche auf der Kriegsgräberstätte Vossenack

Der Kreis Düren setzte diese Stellungnahmen im Juni 2022 konsequent um. Der Stein wurde entfernt. Das war nicht die einzige Änderung, die 2022 vollzogen wurde. 2005 war eine Erinnerungstafel an den ehemaligen Friedhofswärter Julius Erasmus gesetzt worden. Das Problem dabei deckte sich in einer Hinsicht mit den beiden ‚Windhund‘-Tafeln, allerdings nicht in inhaltlicher Hinsicht. Erasmus‘ Tafel war ebenfalls auf einem Doppelkreuz installiert worden.

Die 2005 gesetzte Tafel zur Erinnerung an Julius Erasmus befand sich bis 2022 auf einem Dopelkreuz, das nicht auf die Kriegsgräberstätte Vossenack gehörte. Es stand links vom Hochkreuz auf der dortigen Grasfläche

Nach Erscheinen des vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz 2021 herausgegebenen Heftes über „Die Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack in der Nordeifel“  wurde dem für die Kriegsgräberstätte Vossenack verantwortlichen Kreis Düren einsichtig, dass das Doppelkreuz nicht länger als Auflagefläche für die Tafel zur Erinnerung an Julius Erasmus dienen konnte. Im September 2022 ließ die Kreisverwaltung das Doppelkreuz entfernen und platzierte die Erinnerungstafel auf meine Empfehlung hin am Aufgang zur Gräberstätte rechts neben dem Hochkreuz.

 

2022 vorgenommene neue Platzierung der Erinnerungstafel an Julius Erasmus rechts neben dem Hochkreuz
Damit war die langjährige Vermischung unterschiedlicher architektonischer Umgangsweisen mit Kriegstoten im Sinne von Carl Ludwig Schreiber, dem Landschaftsarchitekten der Kriegsgräberstätte Hürtgen und Erfinder der Doppelkreuze, nach der falschen Platzierung des Doppelkreuzes auf der Kriegsgräberstätte Vossenack revidiert worden.

 

 

Meine eigenen Aktivitäten seit 2017 –
Teil 5: Erläuterung von umgebetteten Zwangsarbeitskräften auf der Gräberstätte Rurberg durch eine Dauerausstellung

Am 19. Oktober 2023 wurde zwischen Rurberg und Kesternich an der L 166 die Ausstellung zum Thema ‚Rurberg – Gräberstätte für sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter‘ eröffnet. Mehr als 60 Personen aus der Region waren zu der Übergabe der 14 Tafeln an die Öffentlichkeit erschienen und folgten den Ansprachen der von der Gemeinde Simmerath organisierten Eröffnung und schauten sich mit Interesse die Tafeln an. Reden wurden gehalten von Bürgermeister Bernd Goffart, von Thomas Lessmann vom Landschaftsverband Rheinland, von Frank Möller (Köln), der die Texte und Bildauswahl der Tafeln geschaffen hatte, von Eva Müller-Hallmanns (Hürtgenwald), die die Tafeln grafisch gestaltet hatte, sowie von Konrad Schöller (Nideggen-Schmidt), durch dessen Recherche über 200 Umgebettete auf zwei Tafeln abgebildet werden konnten.

Das Bild zeigt die Grafikdesignerin Eva Müller-Hallmanns aus Hürtgenwald bei ihrer Rede am 19. Oktober 2023. Hinter ihr befindet sich die Tafel, auf der die einzelnen Elemente der Gräberstätte erläutert werden.
Ein Besuch der gepflegten Gräberstätte und der nun aufbereiteten Informationen auf den Tafeln über das Thema Zwangsarbeit und den Tod von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in der Nordeifel lohnt sich. Insbesondere für jüngere Menschen – Schülergruppen, BesucherInnen der benachbarten Jugendherberge, Gruppen des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge etc. – finden sich hier wertvolle Informationen, um in das Thema ‚Nationalsozialismus‘ einzusteigen. Außerdem werden auch alle Elemente der Anlage auf einer Tafel näher erläutert. Die Geschichte der Entwicklung der Gräberstätte Rurberg und das Schicksal der dort Bestatteten findet sich in einem längeren Aufsatz von mir, den ich für das Portal KuLaDig des Landschaftsverbands Rheinland 2022 verfasst habe.

Die Tafeln wurden ins Ukrainische, Russische, Englische und Französische übersetzt. Zusammen mit den deutschen Texten finden Sie diese auf der Website der Gemeinde Simmerath.

Mit Rückenansicht ist der Bürgermeister der Gemeinde Simmerath, Bernd Goffart, zu sehen, der die Eingangsrede gehalten hatte. Am Rednerpult befindet sich der regionale Erforscher der Zwangsarbeitsgeschichte Konrad Schöller aus Nideggen-Schmidt.

 

Meine eigenen Aktivitäten seit 2017 –
Teil 6: Regelmäßiger Versand des ‚Hürtgenwald Newsletters‘

Seit 2017 habe ich den ‚Hürtgenwald Newsletter‘ entwickelt, der vier bis fünf Mal im Jahr an einen Kreis von Multiplikatoren, Medien, fortschrittlichen Akteurinnen und Akteuren, Ministerien, Institutionen etc. verschickt wird. Grund für diese Initiative war nicht zuletzt die völlig unzureichende Berichterstattung in den regionalen Medien der Nordeifel über die Entwicklung der Erinnerungskultur und die teilweise Naivität mit der über die rechte Militaria-Szene über Jahre immer mal wieder positiv berichtet wurde, was selbst heute mitunter noch der Fall ist.

Sie können die Newsletter jederzeit abrufen. Die Sammlung hat inzwischen einen archivarischen Charakter, weil sie Konflikte, positive Veränderungen der Erinnerungspolitik sowie rechtsextreme Übergriffe in der Region Nordeifel verzeichnet, die sonst kaum eine öffentlich zugängliche Zusammenstellung erfahren.